Meissen

Meißen

Von weitem sichtbar und hochherrschaftlich zeigt sich Meißens Burgberg, auf dem sich die beiden neogotischen Dom-Türme in den Himmel recken sowie die Albrechtsburg mit ihren hohen Mauern ein Bild uralter Herrschaft formt. Dom und Burg sind Ausdruck für die einst politische und kirchliche Machtentfaltung. Die lange Geschichte Meißens als Markgrafen- und Bischofssitz beginnt im Jahr 929 n. Chr., als König Heinrich I. die Reichsburg Misni gründete und sie zum Herrschaftszentrum des mittleren Elbegebietes machte. Meißen ist eine historische Schatzgrube und Wiege sächsischer Geschichte. Bis 1485 war die Stadt Mittelpunkt des Adelsgeschlechtes der Wettiner und dessen Politik. Legendär sind die Geschichten um die Erfindung des Meissner Porzellans® durch Johann Friedrich Böttger und Ehrenfried Walther von Tschirnhaus. Die Gründung der ersten europäischen Porzellanmanufaktur im Jahre 1710 krönte nicht nur den Erfindergeist der Forscher, sondern vor allem das Ansehen des sächsischen Hofes unter August dem Starken. Seitdem ist viel Porzellan in aller Welt hergestellt worden – und trotzdem hat das „Meissner“ seine Wertschätzung nicht verloren. Ein anderes „Gold“ befindet sich an den Hängen der Elbe und gibt jedes Jahr neue Ernte: der Meißner Wein. Riesling, Müller-Thurgau und Weißburgunder sind die bevorzugten Rebsorten, welche sich meist als trockener Weißwein zum Beispiel in der Weingaststätte „Vincenz Richter“ – untergebracht im alten Zunfthaus der Tuchmacher – kosten lassen. Romanik, Gotik, Renaissance und Barock machen Meißen zu einer Fundgrube von Stilen der Kunst- und Baugeschichte. Die kleine Stadt mit ihren rund 27 000 Einwohnern hinterlässt beim Flaneur zugleich ein Gefühl von mittelalterlicher Enge, gotischer Höhe und herrschaftlicher Größe – und wird dadurch zu einem romantischen Fleckchen Erde. Dies bezeugt auch der „romantische“ Maler Adrian Ludwig Richter, der als Zeichenlehrer über Jahre in Meißen verweilte.


Afraberg

Auf einem Bergplateau über der Stadt liegt vor dem Zugang zur Burg der Afraberg oder die Afrafreiheit. Letztere Bezeichnung weist darauf hin, dass die Bauwerke des Landesherren, der Kirche, des Burggrafen und des Adels hier Exklusivrechte genossen. Wie jene des Burgberges und einzelne Freihäuser der Altstadt waren sie Meißen weder steuerpflichtig, noch unterstanden sie der kommunalen Gerichtsbarkeit. Der Name Afra (lat. die Afrikaner) geht auf die seit dem 12. Jahrhundert nachweisbare Kirche St. Afra zurück. Diese weihte man im Mittelalter der 1064 heiliggesprochenen Märtyrerin Afra – Patronin der Büßerinnen, reuigen Dirnen und armen Seelen. Legenden besagen, dass sie die aus der Heimat geflohene Tochter des Königs von Zypern gewesen sein mag. In Augsburg als Dirne lebend, wurde sie durch einen Bischof bekehrt, getauft und schloss ihr Freudenhaus. Während der Christenverfolgung soll sie enthauptet und auf dem Lechfeld verbrannt worden sein. Nachweisbar ist allerdings nur die Augsburger Hinrichtung einer Afrikanerin um 304 unter Kaiser Diokletian. Dominiert wird der Afraberg heute durch die Gebäude des Sächsischen Landesgymnasiums St. Afra. Direkt neben der Afrakirche arbeitet in den Gebäuden des früheren Afraklosters heute die 1949 eröffnete Akademie der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens. Sie veranstaltet Tagungen und bietet den Seminarteilnehmern Unterkunft. Zu Meißens beeindruckenden historischen Gebäudeensembles zählen die einstigen Domherrenhöfe an der Freiheit auf dem Afraberg, den man beispielsweise über die romantischen Roten Stufen, die Frauenstufen, die Superintendenturstufen oder den Seelensteig erklimmt.

Domherrenhöfe an der Freiheit

Zur geistigen Führungsschicht Sachsens zählten neben den Bischöfen und Äbten die selbstbewussten Domherren. Letztere wählten den Bischof und festigten im Verlauf des Mittelalters ihre Stellung, entwickelten sich von bischöflichen Gehilfen bei den rituellen Aufgaben zu machtbewussten Männern mit eigenem Besitz und Aufgabenbereich. Ihr ranghöchstes Mitglied war der Propst. Die Zahl der Domherren erhöhte sich von 14 im Jahre 1307 innerhalb eines halben Jahrhunderts auf 17. Jeder Domherr besaß eine Pfründe, die aus Geld- und Naturaleinkünften diverser Dörfer bestand. Für höhergestellte Domherren, die sogenannten Prälaturen, waren die Bezüge viel reicher. Diese entledigten sich der geistlichen Pflichten bei Gottesdiensten oft, indem sie für geringen Lohn einen Vikar anstellten. Lebten die Domherren anfänglich in einer klösterlichen Gemeinschaft mit gemeinsamen Mahlzeiten, wollten sie zum Ende des 13. Jahrhunderts eigene Akzente setzen und ihren Wohlstand durch den Besitz prachtvoller Häuser demonstrieren. Nachdem der Platz am Dom mit Domherrenhäusern bebaut war, wichen die hohen Herren auf den Afraberg aus. Dort haben sich imposante Domherrenhöfe und Adelsfreihäuser von Landadeligen erhalten: Der Jahnaische Freihof (Freiheit 1) wurde 1409/10 durch Hans von Schleinitz auf Schieritz und Jahna erworben und unter Verwendung von Gebäudeteilen aus dem 12. Jh. ausgebaut. Das äußere Treppentor beherbergt das Löwenportal aus der Renaissance. Dieses Sitznischenportal u. a. mit Löwenplastiken gilt als Krönung der Portalgestaltung von Meißen. Von 1609 stammt die geschnitzte Tür. Ein Konglomerat verschiedener Bauphasen zwischen 1522 und 1917 prägen das Burglehnhaus (Freiheit 2) mit Renaissance-Portal. Eine gusseiserne Tafel weist darauf hin, dass hier von 1828 bis 1836 der Kunstmaler Ludwig Richter (1803 – 1884) wohnte. Heute befinden sich in der Anlage Gästeappartements der Akademie der ev.-luth. Landeskirche Sachsens und Mietwohnungen. Zu den schönsten Domherrenhöfen zählt der um 1346 für den Domherren Nikolaus Eberhard erbaute Jahnsche Hof (Freiheit 6). Das steile Krüppelwalmdach, die Verteidigungszwecken dienenden Kellergänge, das gotische Portal und der zweigeschossige Fachwerkerker zum Tal machen dieses Gebäude unverwechselbar. Als Wohnhaus eines der Pfarrer der ev.-luth. Kirchgemeinde St. Afra Meißen wird das Haus Freiheit 7 Afrapfarre genannt. Berühmtester Besitzer dieses Domherrenhofes war 1556 Julius von Pflugk, der Domdechant zu Meißen und Bischof von Naumburg. Durch Überbauung ab 1800 ist in der Freiheit 8 vom ehemaligen Domherrenhaus kaum noch etwas zu sehen. Die Superintendentur befindet sich seit 1564 im ehemaligen Domherrenhaus Freiheit 9. Den Garten am Hang ziert ein Brunnenhaus und die sogenannte 1000-jährige Eibe. Domherrenhof heißt das Grundstück Freiheit 10, das mit einem Neubau des 19. Jahrhunderts bebaut ist. Von 1995 bis 2008 fanden hier Sitzungen des Kreistages Meißen statt. Jetzt dient das Gebäude der Elblandkliniken-Gruppe als Schulungszentrum und beherbergt ein Restaurant. Der einstige Domherrenhof Freiheit 11 war im 16. Jahrhundert im Besitz des Rektors, Historikers und Dichters Georg Fabricius (1516 – 1571). Aus dem heute mit Wohnungen bestückten Domherrenhof Freiheit 12 wurde ein Adelsfreihof und 1851 das Diakonat von St. Afra. Hinter dem Gebäude findet man Reste der alten Stadtmauer.

Ev.-luth Kirche St. Afra

Die Afrakirche an der Freiheit auf dem Afraberg ist eine gotische, dreischiffige Basilika, mit deren Bau man 1210 begann. Vorher stand an der Stelle eine romanische Saalkirche. Der 1653 geweihte Altar mit dem Schmerzensmann stammt von Bildschnitzer Valentin Otte und Kunstmaler Johann Richter. Otte schuf 1657 auch die Kanzel. Über dem frühbarocken Portal prangt das sächsische Kurwappen, der barocke Turm wurde 1765 hinzugefügt. In der Kirche sind Grabplatten und Epitaphe des markmeißnischen Adelsgeschlechts von Schleinitz aufgestellt. Vertreter dieser Uradels-Sippe hatten unter den Herzögen und Kurfürsten aus dem Hause Wettin hohe Ämter inne. Unter dem Fußboden der Barbarakapelle befindet sich mit dem Ratsherrenstein eine in Mitteleuropa einzigartige Grabplatte (2 mal 2 Meter groß, 3 Tonnen schwer). Sie erinnert mit Ritzzeichnungen und umlaufendem Namensband an vier Zwickauer Ratsherren, die 1407 durch das Schwert in Meißen hingerichtet wurden.

Sächsisches Landesgymnasium St. Afra

Das Internatsgymnasium des Freistaates Sachsen (Freiheit 13) für Schüler mit Hoch- und Mehrfachbegabung wurde 2001 auf dem Afraberg gegründet und sieht sich in der Tradition der einst an diesem Ort gegründeten Fürstenschule. Nach bestandenem Eignungstest (zwei Tage, denen eine dreimonatige Probezeit folgt) absolvieren die jeweils bis zu 50 neuen Schülerinnen und Schüler, welche hier in zwei Wohndörfern leben und deren Ausbildung von der 7. bis zur 12. Klasse mit dem Abiturzeugnis plus St. Afra-Zertifikat endet. Entsprechend des generalistischen Profils werden Vertiefungen in sprachlich-interkultureller, mathematisch-naturwissenschaftlicher, künstlerisch-ästhetischer und musischer Richtung angeboten. Alle Schüler lernen mindestens drei Fremdsprachen (englisch als Pflichtsprache, lateinisch oder altgriechisch sowie französisch, russisch oder spanisch), wobei ab der 9. Klasse eine vierte Fremdsprache gewählt werden darf. Der Tag ist vom Frühkonzil nach dem Frühstück bis 22 Uhr geregelt, dient dem Wissenserwerb, dem Selbststudium, eigener Projektarbeit, der Beschäftigung in Arbeitsgemeinschaften und sportlichen Aktivitäten. Aller drei bis vier Wochen fahren die Schüler zu ihren Familien. Für die elitäre Ausbildung spricht, dass sich im Jahre 2010 den insgesamt 284 Schülern 65 Lehrkräfte (die Mentoren unter den Lehrern wohnen ebenfalls auf dem Schulgelände) widmen konnten.

Fürstenschule

Meißen hatte den Vorzug, neben Schulpforta bei Naumburg (gegründet 1543) und Grimma (gegründet 1550) seit 1543 die Fürsten- und Landesschule St. Afra – eine der ersten drei sogenannten Fürstenschulen – zu besitzen. Sie wurde in dem 1539 säkularisierten Augustiner-Chorherrenstift St. Afra-Stift auf dem Afraberg eingerichtet. Ihr Gründer, der Herzog und spätere Kurfürst Moritz (1521 – 1553), stattete die Schule mit Grundbesitz und Zinseinkünften aus. Und es entsprach seinen Vorstellungen, dass hier Schüler aller Schichten ausgebildet werden – bei Mittellosigkeit der Eltern selbstverständlich auf Kosten des Landes! Zwischen 1554 und 1716 errichtete man diverse Schul- und Internatsgebäude, 1877/79 im Stil des Neoklassizismus den heutigen Dreiflügelbau. Mehrere Afraner sicherten sich als herausragende Geistesgrößen einen Platz in der deutschen Geschichte. Zu ihnen zählten z. B. die Dichter Christian Fürchtegott Gellert (1715 – 1769) und Gotthold Ephraim Lessing (1729 – 1781), der Arzt und Homöopathie-Begründer Dr. Samuel Hahnemann (1755 – 1843) oder der evangelische Theologe und liberale Politiker Friedrich Naumann (1860 – 1919). Ende 1942 brach man mit dem humanistischen Bildungsideal. Im Zuge der Gleichschaltung deutscher Schulen wurde die Fürstenschule zu einer dem Reichssicherheitshauptamt unterstellten "Deutschen Heimschule".

Rote Stufen

Von vier Treppenanlagen zum Afraberg erhielt in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts eine den Namen Rote Stufen. Die Bezeichnung bürgerte sich ein, nachdem man zu jener Zeit die Stufen und Podeste mit rotem Pirnaer Sandstein aus der Sächsischen Schweiz erneuerte. Am 1995 rekonstruierten Stufenweg erreicht man mit dem „Prälatenhaus“ genannten Domherrenhaus Rote Stufen Nr. 3 eins der herausragenden Gebäude spätgotischer Baukunst in Sachsen. 1510 ließ der Meißner Domherr, bischöfliche Offizial, päpstliche Legat und kaiserliche Notar Nicolaus Heynemann das dreigeschossige Bauwerk mit Satteldach (Spatenkremp-Dachziegel) und filigranen gotischen Stufengiebeln aus Backstein (samt Blendbögen und Filialtürmen) am Felsen errichten. Im ersten Obergeschoss erhielten sich hölzerne Gewände, Holzbalkendecken und Bohlenwände, die teilweise dekorative Fresken zieren. Seit 1989 sammelte der Verein Kuratorium „Rettet Meißen – jetzt e. V.“ um den Meißner Ehrenbürger Prof. Peter Schreier (geb. 1935) auch Geld für die Sanierung dieses einzigartigen kunst- und architekturhistorischen Juwels.


Burgberg

Jener dreieckige, an der höchsten Stelle (Türschwelle der Fürstenkapelle) 146,9 Meter über dem Meeresspiegel gelegene, Felssporn ist der Kristallisationskern Sachsens. Von hier aus entfaltete sich die Markgrafschaft Meißen, aus welcher 1423 das Kurfürstentum Sachsen und 1806 das gleichnamige Königreich hervorging – bis man in den Wirren der Revolution von 1918 den Freistaat Sachsen ausrief. Spätestens seit der Bronzezeit besiedelt, legte König Heinrich I. (um 876 – 936) im Jahre 929 hier ein befestigtes Militärlager mit ständiger Wachmannschaft an. Dafür wurde der Berg gerodet und das Plateau mit hölzernen Palisaden geschützt. Aus dem 11. Jahrhundert ist die Errichtung des imposanten „Roten Turmes“ überliefert, dessen quadratischer Grundriss 12 Meter Seitenlänge und drei Meter Mauerstärke aufwies (im 15. Jh. abgebrochen). Die Reichsburg an der Ostgrenze des Heiligen Römischen Reiches war ein Bollwerk gegen Böhmen und Polen. Dieser Militärstützpunkt entwickelte sich zur Landesburg der Markgrafen von Meißen, die seit 1089 das Geschlecht der Wettiner stellte. Nachdem 968 Kaiser Otto I. (912 – 973) das Bistum Meißen gründete, erhielt der Bischof einen Dom und seine Residenz auf dem Berg. Als dritte feudale Macht ließen sich hier 1068 die Burggrafen (bis 1426) mit eigener Burg und Bergfried (runder „Weißer Turm“, Außendurchmesser 10,30 Meter, Mauerstärke 3,60 Meter) nieder. Der das heutige Stadtbild prägende Burgberg mit seinen herausragenden sakralen und musealen Einrichtungen geht auf das späte Mittelalter zurück. Er wird dominiert von den erst 1903 bis 1909 im neogotischen Stil hinzugefügten Zwillingstürmen des ab 1250 errichteten evangelischen Domes. Daneben reckt sich die Albrechtsburg, mit deren Bau man 1470 begann, in die Höhe.

Albrechtsburg

Wegen ihrer Lage hoch über der Elbe auch „sächsische Akropolis“ genannt, gilt die Albrechtsburg in Meißen als Ausgangspunkt sächsischer Historie, als bedeutendster frühneuzeitlicher Schlossbau Deutschlands und beherbergte 153 Jahre lang, von 1710 bis 1864, mit der Manufaktur Meissen® die erste Porzellanmanufaktur Europas. Die Geschichte der Burg geht auf das Jahr 929 zurück, in dem König Heinrich I. (876 – 936) zur Beherrschung des Landes auf steilem Felsen zwischen Elbe, Triebisch und Meisa hier einen geeigneten Militärstützpunkt fand. Ab 968 ist ein Markgraf von Meißen bezeugt und im gleichen Jahr wurde der Burgberg Bischofssitz für den Oberhirten des neuen Bistums Meißen. 1089 belehnte der Kaiser erstmals einen Vertreter des Hauses Wettin mit dem Markgrafenamt, das seit 1125 unter den Wettinern erblich ist. Diese schufen im sächsisch-thüringischen Raum ein gewaltiges Herrschaftsgebiet, welches unter dem 1423 zum Kurfürsten von Sachsen ernannten Friedrich IV. dem Streitbaren (1370 – 1428) den Höhepunkt der Machtentfaltung erreichte. Seine Enkel Ernst (1441 – 1486) und Albrecht (1443 – 1500) beauftragten 1471 den Baumeister Arnold von Westfalen (†1480 o. 1481) ihnen an der Stelle der alten Burg das erste deutsche Schloss im spätgotischen Stil mit Elementen der Renaissance als großzügige Doppel-Residenz zu errichten. Doch 1485 beendeten die Brüder ihre gemeinsame Herrschaft, teilten das Land in Sachsen und Thüringen. Auch die Hochadelsdynastie ging seitdem in den zersplitterten Linien der Ernestiner und der ihr Territorium vor Erbteilungen bewahrenden Albertiner getrennte Wege. Nach Albertiner Albrecht, der Sachsen samt dem Schloss erhielt, wurde der sich an den Dom schmiegende Bau 1676 auf den Namen Albrechtsburg getauft. Albrecht hatte allerdings Dresden zu seiner Residenz bestimmt und verlor – wie alle seine Nachkommen – das Interesse, den Sitz in Meißen für die Hofhaltung zu nutzen. Erst Sachsen-Fürst Friedrich August I., der Starke (1670 – 1733), verlieh der unmodern gewordenen Immobilie wieder Bedeutung. Seine am 23. Januar 1710 in Dresden gegründete Porzellanmanufaktur ließ er per Reskript vom 7. März am 6. Juni des gleichen Jahres in die gegen Spionage festungsartig gesicherte Albrechtsburg verlagern. Zwischen Westgiebel und dem dreigeschossigen Kornhaus (spätgotisch, 1866/70 neogotisch umgebaut) entstand das Brennhaus (im 19. Jahrhundert abgerissen, heute Verbindungsbau zum Kornhaus). Mitte des 18. Jahrhunderts dienten schon fast alle Räume der Porzellanfabrikation. Um 1760 arbeiteten knapp 800 Menschen hier. Pferdegöpel, die über ein System von Wellen und Treibriemen Maschinen, Pumpen und Aufzüge im Schloss antrieben, wurden nach 1850 durch die Dampfmaschine abgelöst. Als sich das verwinkelte Gemäuer zusehends als hinderlich für die Produktionserweiterung erwies und der Sächsische Altertumsverein die Rettung des vaterländischen Monuments anmahnte, siedelte man die Manufaktur 1863 vom Schloss in den Neubau im Triebischtal um. Nach Rückbau aller Anlagen und Grundsanierung gestalteten 1873 bis 1885 elf Künstler das Schloss mit 25 monumentalen Historiengemälden, 20 Plastiken, 15 Porträts, 11 Architekturansichten, zwei Glasgemälden und sieben Holzfiguren aus, von denen der Großteil heute noch zu bewundern ist. Im „Böttgerzimmer“ erinnern zwei Wandgemälde an die frühe Historie des Porzellans. Seit 1881 ist die Albrechtsburg als erstes Schlossmuseum Sachsens der Bevölkerung zugänglich. Am 3. Oktober 1990 wurde in der Großen Hofstube der Freistaat Sachsen gegründet. Das heute zu den Staatlichen Schlössern und Gärten gehörende Schloss beherbergt ein Museum.

Dom St. Johannes Evangelista und Donatus

Seit über 700 Jahren kündet der 81 Meter hohe Dom, der sich über 97,30 Meter (Länge des Hauptschiffs) auf dem Burgberg erstreckt, von der einstigen Machtfülle, dem Reichtum und der missionarischen Energie der römisch-katholischen Bischöfe des Mittelalters sowie der Genialität ihrer Baumeister. Schon 968 stand hier eine hölzerne Kapelle, der wohl im 11. Jahrhundert eine steinerne Saalkirche (acht mal 18 Meter) folgte, welche um 1130 durch eine viertürmige romanische Basilika (46 Meter lang) ersetzt wurde. Bischof Konrad I. (†1259) begann mit dem Bau des durch seine Stilreinheit einzigartigen gotischen Doms (Höhe des Hauptschiffs 17,80 Meter) im Jahre 1250. Da es undenkbar war, den Gottesdienst während der auf mehrere Jahrzehnte geschätzten Bauzeit zu unterbrechen, errichtete man zuerst außerhalb der romanischen Kirche den Hohen Chor (1268 nutzbar) und den Kreuzgang. Vorbilder mögen französische Kathedralen gewesen sein. Im Stifterjoch des Hohen Chores stehen auf Konsolen von Baldachinen bekrönte überlebensgroße farbige Sandsteinskulpturen. An der Südwand die beiden Bistumsheiligen Johannes der Evangelist (Lieblingsjünger Jesu) und Donatus (italienischer Märtyrer-Bischof, dessen Kopfreliquie seit dem 12. Jahrhundert im Dom verehrt wurde), an der Nordwand die Stifter des Bistums, Kaiser Otto I. (912 – 973) und die heiliggesprochene Kaiserin Adelheid (um 931 – 999). Wichtige Fortschritte am Dom wurden ab 1266 unter Bischof Withego (†1293) erzielt, der u. a. die Mystik des über 250 Jahre zuvor verstorbenen Benno von Meißen für seine ehrgeizigen Pläne nutzte. Bis 1270 entstanden das Querhaus, die westlichen Teile des Chores und die Osttürme. Dem Querhaus folgt das dreischiffige Langhaus mit seinen mächtigen Pfeilern, an welchem man weit über 100 Jahre baute. Zwischenzeitlich wurde am Ostflügel des Kreuzganges 1296 die Allerheiligenkapelle geweiht. Das Südportal erbaute man um 1310/1320 (Bildwerke erst um 1390 ausgeführt), um 1370 das Westportal mit dem Figurenprogramm (seit dem 15. Jahrhundert Teil der Fürstenkapelle). Die Marienkapelle im Erdgeschoss des südlichen Turmes entstand um 1369, die Andreaskapelle im nördlichen Turm um 1360. Als verdienstvoller Christ, der die Schlussweihe des mittelalterlichen Doms 1401 ermöglichte, gilt Markgraf Wilhelm I., der Einäugige (1343 – 1407). Obwohl er zu den tatkräftigsten Wettinern zu zählen ist, verwehrte man dem kinderlos verstorbenen Ahnen die Aufnahme in den Dresdner Fürstenzug, taucht er in der Genealogie der Dynastie kaum auf. Wilhelm I. mag auch die Erhöhung des südöstlichen Turmes, der „höckriger“ genannt wird, zu verdanken sein. Ab 1415 erhielt der Dom noch ein Kleinod von erlesener Schönheit – die von Markgraf Friedrich IV. (1370 – 1428) gestiftete Fürstenkapelle! Die heutigen Westtürme sind Hinzufügungen des 20. Jahrhunderts. Seit dem Mittelalter existierten hier nur hölzerne Turmhauben, welche 1413 einem Sturm und 1547 dem Blitzschlag zum Opfer fielen. Mit der Wiederentdeckung des Doms als Meisterwerk gotischer Baukunst gründete sich 1896 ein Dombauverein, der eine staatliche Lotterie anregte. Innerhalb von fünf Jahren wurden so 1,5 Millionen Mark eingesammelt. Nach dem Entwurf von Carl Schäfer (1844 – 1908) entstand 1904/08 in neogotischem Stil die Westturmfront mit den beiden filigranen Türmen. Nach 658 Jahren Bauzeit war der Dom endlich vollendet!

Fürstenkapelle

Im Jahre 1407 begannen unter Markgraf Friedrich IV. (1370 – 1428) Planungen für eine neue Grablege der Herrscher des Hauses Wettin am Meißner Dom – als Alternative zur bisherigen Begräbnisstätte der Dynastie im Kloster Altzella bei Nossen. Friedrich IV. war die Lichtgestalt des Mittelalters, dem die Wettiner Kurwürde und den Landnamen Sachsen verdanken. 1409 gründete er mit seinem Bruder, Markgraf Wilhelm II. (1371 – 1425) die Universität Leipzig – eine der ältesten Universitäten der Welt. Durch seine Erfolge als Feldherr gegen die Hussiten hatte sich Friedrich die Achtung des deutschen Königs Siegmund erworben. Dieser belehnte ihn am 6. Januar 1423 und am 1. August 1425 in Budapest mit dem Herzogtum und der Kur Sachsen, dem Erzmarschallamt, der Pfalz Allstedt, der Grafschaft Brehna und der Burggrafschaft Magdeburg. Der 53-jährige Kurfürst Friedrich I., der Streitbare und seine Sippe waren damit auf die höchste Stufe der deutschen Reichsfürsten gerückt. Ihren Ländereien (u.a. meißnische Lande, Pleißenland) gaben die Kurfürsten von Sachsen fortan den einheitlichen Namen Sachsen. Kurfürst Friedrich I. wurde 1428 als erster seines Geschlechts in der Fürstenkapelle des Meißener Doms beigesetzt. Die spätgotische Gruft erhielt 1455 eine Bronzeplatte mit seinem Antlitz und ragt wegen Friedrichs enormer Bedeutung über alle Grabplatten heraus. Geniale Baumeister fügten die Fürstenkapelle mit prächtiger Schaufassade, Maßwerkschmuck und schlanken Maßwerkfenstern als Westchor an die alte Westturmanlage und bezogen das prachtvolle Westportal von 1370 mit ein. Im majestätischen Innenraum (zierreiches Maßwerkgewölbe, eine Reihe von Heiligenfiguren) lasen sieben extra dafür berufene Priester – die so genannten Schotten – an mehreren Altären (nicht mehr vorhanden) bis zur Reformation Chorgebete und Seelenmessen. Als letzte Wettiner wurden in der 1521/24 angefügten Georgskapelle, die nur von der Fürstenkapelle erreichbar ist, Herzog Georg der Bärtige (1471 – 1539) und seine Gemahlin Barbara Prinzessin von Polen (1478 – 1534) beigesetzt.

Benno von Meißen

Sachsens Heiliger, von dem mehr Legenden als Tatsachsen bekannt sind, ist Bischof Benno von Meißen. Selbst sein Geburtsjahr bleibt rätselhaft. Erstmals 1062 als königlicher Kapellan und Kanoniker an der kaiserlichen Pfalzkapelle Goslar erwähnt und letztmals 1095 in Verona nachweisbar, starb er zwischen 1105 und 1107. Von ihm kann man nur mit Bestimmtheit sagen, dass er von 1066 bis zu seinem Tode als zehnter Hirte den Meißner Bischofsstuhl innehatte. Seine Amtszeit fiel in die unruhige Zeit der Sachsenkriege und des Investiturstreites. Er soll ein unkriegerischer und kirchlicher Armut verpflichteter Mann gewesen sein, welcher sich der Missionsarbeit der Sorben verschrieb, den Weinbau im Elbtal gefördert haben mag und seine letzte Ruhe im romanischen Meißner Dom fand. Als Begründer der Benno-Verehrung gilt Bischof Withego I. (†1293). Dieser widmete seine ganze Kraft dem Neubau des Doms, ließ Bennos mutmaßliche Gebeine erheben und in einer 1285 erstmals erwähnten Tumba im Mittelpunkt des Gotteshauses bestatten. Ab 1497 betrieben Herzog Georg von Sachsen (1471 – 1539) und die Meißner Domkapitel dessen Kanonisation. Papst Hadrian VI. (1459 – 1523) sprach Benno am 31. Mai 1523 heilig. In seiner Schrift „Wider den neuen Abgott und alten Teufel, der zu Meißen soll erhoben werden“ polemisierte Reformator Martin Luther (1483 – 1546) im Jahre 1524 heftig gegen die Erhebungsfeier. Mit dem Fortgang der Reformation befahl Herzog Heinrich (1473 – 1541) dann den Abbruch des Grabmals. Unter Anwesenheit des Bürgermeisters, zweier Ratsherren sowie der Visitatoren Justus Jonas und Rudolf von Rechenberg begann man am 15. Juli 1539, 3 Uhr morgens, die Tumba dem Erdboden gleich zu machen. Nach einer protestantischen Überlieferung sollen Bennos Gebeine unter Fanfarenblasen den Fluten der Elbe übergeben worden sein. Laut katholischer Darstellung brachte allerdings Bischof Johann VIII. (†1549) die Gebeine Bennos vor dem Bildersturm nach Stolpen in Sicherheit. Von dort wurden sie über Wurzen nach Bayern geschmuggelt, ruhen seit 1576 in die Münchener Stiftskirche „Unserer lieben Frau“ in einem silbernen Reliquienschrein.

Kleiner Burgberg-Rundgang

Im nordwestlichen Teil des Plateaus schließt sich das per Verbindungsbau (massives Erdgeschoss, Obergeschoss zum Hof hin offene Galerie mit Satteldach) mit der Albrechtsburg verknüpfte Kornhaus an. Dieses wurde 1470 im spätgotischen Stil mit Tonnengewölben im Keller, Göpelwerk und Schüttböden errichtet (1520 im Erdgeschoss 36 Pferdeboxen eingefügt) und diente als Getreidelager. Der letzte große Umbau erfolgte 1866/70 durch Karl Moritz Haenel (1809 – 1880) zum Wohnhaus im neugotischen Stil. Seit langem leer stehend, ist eine Nutzung als Hotel geplant. Einziger Zugang für Fahrzeuge zum Burgberg ist das mittlere Burgtor mit gotischem Kreuzgratgewölbe. Der neogotische Dachaufbau mit Ecktürmen und Zierrat erfolgte 1875 nach Plänen von Otto Wanckel (1820 – 1912). In den Blendbogenfeldern erstrahlen seit 1890 Mosaiken, die den Evangelisten Johannes und den Hl. Georg, den Drachentöter, darstellen. Wer den Burgberg durch das Torhaus betritt, stößt rechts an der Plateau-Südseite zuerst auf den 1881 eröffneten „Burgkeller“ (Restaurant und Hotel, Domplatz 11). Vorher führt noch eine Treppenanlage, die Schlossstufen, in die Altstadt. Östlich schließen sich sieben Domherrenhäuser an, deren Kerne mittelalterlich sind. Die Fassaden tragen die Handschriften des 16. bis 18. Jahrhunderts. Die Gebäude werden bezeichnet als (von West nach Ost): „Schotterei“ (Domplatz 10, Neubau 1744, während des Siebenjährigen Krieges logierte hier mehrfach Preußenkönig Friedrich II., der Vorgängerbau beherbergte 7 Benediktiner-Schottenmönche, welche von 1446 bis 1539 Messdiener-Pflichten an der Fürstenkapelle hatten, heute zum „Burgkeller“ gehörend), „Glöcknerei“ (Domplatz 9, beherbergt mit dem „Domkeller“ eine der ältesten Schankstätten, früher u. a. Wohnung des Dom-Glöckners), „Scholasterei“ (Domplatz 8, 1435 erstmals als Domschule erwähnt, neu erbaut 1745 durch Johann Joachim Kaendler), „Propstei“ (Domplatz 7), „Domherrenhaus“ (Domplatz 6, Domherrenwappen an Fassade), „Dechantei“ (Domplatz 5, 1526 durch Domdechanten Johannes Hennig mit einem Renaissance-Portal errichtet, das über Sitznischen verfügt) und „Amtsfronfeste“ (Domplatz 4, 1828 bis 1963 Gefängnis). Besondere Beachtung verdient die in spätgotischer Architektur (z. B. Portal, rechteckiger Innenhof, Keller) erhaltene Propstei, in der sich heute die Verwaltung des Ev.-Luth. Hochstifts Meißen befindet. Dieses ist verantwortlich für den baulichen Erhalt, die Gottesdienste, Kirchenmusik und Führungen im Dom. Über der Pforte hat sich das farbige Wappen des schwer reichen Meißener Dompropstes und sächsischen Diplomaten am Heiligen Stuhl Melchior von Meckau (um 1440 – 1509) erhalten, der den Neubau 1497 bis 1503 stiftete. Er wurde 1488 Bischof von Brixen und 1503 sogar Kardinal in Rom. Die Südostecke des Burgberges schließt seit dem 10. Jahrhundert das Bischofsschloss (Domplatz 3) ab, welches seit 1844 Justizzwecken dient, seit 1993 das Amtsgericht Meißen beherbergt. Baubeginn des heutigen Gebäudes war 1476. Der von der Altstadt sichtbare, sehr markante runde Turm, genannt Liebenstein, dürfte ebenfalls hochmittelalterlichen Ursprungs sein. Seine barocke Haube erhielt er nach einem Großbrand im Jahre 1720. Durch das Amtsgericht gelangt man seit 1851 über eine steile Treppe, die sogenannten Amtsstufen, in die Altstadt. Auf das Meißner Umland und die Stadt hat man von den Domtürmen, von einen Rundweg und von mehreren Terrassen aus eine hervorragende Sicht. Seit 2001 ist der Burgberg sogar durch einen Panoramaaufzug (Schrägaufzug mit gläserner Kabine) vom Parkplatz Meisastraße aus bequem zu erreichen.